Ein Wochenende über Dinge, die nicht passiert sind
u.a. kuratiert von Max Czollek
Es gibt ein Erinnern, das Vergessen bedeutet.
Die Nürnberger Prozesse waren ein bahnbrechendes Ereignis, an das zurecht immer wieder erinnert wird. Im kollektiven Gedächtnis sind sie als Beispiel dafür eingeschrieben, das die Nazis ihre gerechte Strafe erhielten. Dass es nur 152 Menschen waren, die hier verurteilt wurden und demgegenüber eine ungleich viel größere Zahl an nicht verurteilten Täter*innen steht, ist uns eigentlich bewusst. Aber es gerät in den Hintergrund.
Ein Grund dafür ist die dokumentarische Methode: Wir erinnern uns auf Basis von Archiven, die das bewahren, was geschehen ist. Was nicht geschehen ist, ist auch nicht Teil von Archiven. Und auch Jahrestage und Gedenkorte, an denen wir uns orientieren, erinnern vor allem an das, was sich ereignet hat. So kann dokumentarisches Erinnern die Vergangenheit verfälschen, obwohl es sich doch das genaue Gegenteil vornimmt. Weil es keine Sprache hat, für die Prozesse, die es nicht gab, die unterlassene Hilfeleistung, die ausgebliebene Aufarbeitung.
Mit Theateraufführungen, Installationen und Diskussionen machen wir uns an diesem Wochenende auf die Suche nach einer postdokumentarischen Erinnerung. Eine Form des Erinnerns, die auch von den Dingen erzählt, die nicht passiert sind – die aber hätten passieren sollen. Darüber, was diese Dinge für die Opfer der Gewalt bedeuteten. Von ihrer Wut, ihrer Trauer und der Abwesenheit derjenigen, die es nicht geschafft haben. Und natürlich auch von der Frage, was das mit uns heute macht.
PROGRAMM VOM 14.-16. Juni 2024
Freitag, 14.06.2024
- ERÖFFNUNG IMPORT/EXPORT: ERINNERN
mit M. Czollek, inklusive Installation "Born"
18.00 Uhr, Segment #1 Kongresshalle, Eintritt frei - DIE VERWICKLUNG
nach Motiven von Luigi Nono und Peter Weiss
19.00 Uhr, Segment #1 Kongresshalle, anschließend Publikumsgespräch
Samstag, 15.06.2024
- FÜHRUNG DURCH DIE KONGRESSHALLE
16.00 Uhr, Kongresshalle - WORKSHOP: MEMORYGAMES: ERINNERN UND REDEN — LEBENDIGES ARCHIV
mit Nina Prader
16.00 Uhr, Treffpunkt vor dem Schauspielhaus - BORN - EINE QUELLENARBEIT
Installation von K. Schmitt, C. Wirth, M. Czollek und P. Talacko
ab 17.00 Uhr, Segment #1 Kongresshalle, Eintritt frei - MAGDA TOFFLER. VERSUCH ÜBER DAS SCHWEIGEN
von Boris Nikitin
19.00 Uhr, Segment #1 Kongresshalle, anschließend Publikumsgespräch
Sonntag, 16.06.2024
- FÜHRUNG DURCH DIE KONGRESSHALLE
16.00 Uhr, Kongresshalle - WORKSHOP: BEGEGNUNGEN IN DER PLURALEN ERINNERUNG
mit Vatan Ukaj
16.00 Uhr, Treffpunkt vor dem Schauspielhaus - BORN - EINE QUELLENARBEIT
Installation von K. Schmitt, C. Wirth, M. Czollek und P. Talacko
ab 17.00 Uhr, Segment #1 Kongresshalle, Eintritt frei - SPRACHEN DES ERINNERNS/ SPRACHEN DES VERGESSENS
Gespräch mit M. Czollek, S. Dodua Otoo, F. Musall und H. Salamat
19.00 Uhr, Segment #1 Kongresshalle
AB DIENSTAG 11. Juni 2024
DYNAMIC MEMORY LAB
Interaktive Ausstellung im Schauspielhaus Foyer, vor Vorstellungen geöffnet
Auch wenn es um Erinnerung geht, gibt es dominante Erzählungen und Perspektiven, die eher vorkommen als andere. Die Ausstellung im „Dynamic Memory Lab“ vermittelt individuelle Geschichten und historische Ereignisse, die oft zu wenig Aufmerksamkeit erhalten. Der Schwerpunkt liegt auf Erinnerungen aus den Roma- und Sinti-Communities, die hier sichtbar werden. Dabei gibt es auch einen Regionalbezug. Ergänzt wird die Ausstellung um einen interaktiven Teil, in dem die Besucher*innen dazu eingeladen werden, über eigene Erinnerungen zu reflektieren und eine Sprache für Erinnertes sowie Vergessenes zu finden.
Das Ausstellung wurde in Kooperation mit RomaTrial e.V. entworfen und von Hamze Bytyçi, Theater- und Medienpädagoge und Vorsitzender von RomaTrial e.V. kuratiert. In unterschiedlichen Kooperationen erarbeitet die CPPD mit dem Dynamic Memory Lab eine Wanderausstellung, die verschiedene Dimensionen pluraler Erinnerungskulturen sichtbar macht. Einem offenen Laborcharakter folgend entwickelt das Dynamic Memory Lab seine Inhalte forschend und erkundend und reagiert als räumliche Intervention auf die Dynamik von Erinnerungskulturen. Das modulare Raumsystem wird von Architekt Jan Bodenstein konzipiert und entworfen und gemeinsam mit Produktdesigner Yair Kira gestaltet.
Eine Veranstaltung der Stadt Nürnberg, Geschäftsbereich Kultur in Zusammenarbeit mit dem Staatstheater Nürnberg und der Coalition for Pluralistic Public Discourse (CPPD)
Foto © Maja Wenker