Quetschn, Schifferklavier, Orgel: Das Akkordeon
Wenn im 3. Philharmonischen Konzert in der Meistersingerhalle ein Akkordeon als Soloinstrument erklingt, ist das eine erstaunliche Ausnahme. In der Welt der symphonischen Orchestermusik ist dieses Instrument nur sehr selten anzutreffen. Anderswo dafür umso mehr: In der Volks- und Straßenmusik gehören das Akkordeon und seine zahlreichen Verwandten zu den beliebtesten Instrumenten.
Es sind wahrscheinlich zwei Eigenschaften, die das Akkordeon populär gemacht haben: Seine Vielseitigkeit und der große Klang, den man mit einem gut transportablen Instrument erzeugen kann. Einfach zu spielen ist es allerdings nicht: Wie auf dem Klavier übernehmen die beiden Hände mit Tasten oder Knöpfen die Melodie und die Begleitung, während mit den Armen die Luft für die Töne gepumpt werden muss. Das zu koordinieren will gelernt und vor allem geübt sein…
Wer sich aber auf das Akkordeon einlässt, den belohnt es mit seinem vollen Klang und der Einsetzbarkeit in vielen unterschiedlichen Musikstilen. Wer in der U-Bahn-Unterführung oder einem halligen Durchgang einen Akkordeonspieler gehört hat, der ein bachsches Orgelwerk spielt, ist erstaunt, wie nahe der Klang des Instruments einer großen Orgel kommt. Aber auch am Lagerfeuer macht sich das Akkordeon gut und hat in der Musik vieler Kulturen seinen festen Platz, in Deutschland als Quetschn im Süden und als Schifferklavier in Küstennähe.
So vielseitig das Akkordeon ist, so vielgestaltig ist es auch. Es ist eine Wissenschaft für sich, die verschiedenen Typen dieses Instruments auseinanderzuhalten. Gemeinsam haben sie eigentlich nur eines: Jedes Akkordeon hat zwei Teile, den Diskant (die Melodiestimme) und den Bass, die durch den Balg verbunden sind. Es gibt gleichtönige und wechseltönige Instrumente, je nachdem, ob sich der Ton beim Ziehen oder Drücken des Balgs verändert oder nicht. Für die Finger gibt es Tasten oder Knöpfe, häufig Tasten im Diskant und Knöpfe im Bass. Auf manchen Instrumenten kann man die Register wechseln wie an einer Orgel und so weitere klangliche Varianten gewinnen.
Das Bandoneon, das Instrument von Astor Piazzolla, gilt heute als typisch südamerikanisch. Tatsächlich ist es aber ein Einwanderer: Entwickelt wurde es im niederrheinischen Krefeld vom Musiklehrer Heinrich Band, nach dem es auch benannt ist. Mit europäischen Migranten erreichte es Südamerika und wurde dort bald zum festen Bestandteil des „orquesta típica“, der typischen Tango-Band. Weil das Bandoneon gewissermaßen ein Vorläufer des heute üblichen Akkordeons ist, kann man Bandoneon-Musik auch problemlos auf dem Akkordeon spielen, wie es die Solistin Ksenija Sidorova im Philharmonischen Konzert in Astor Piazzollas Bandoneon-Konzert tun wird.
Text: Dr. Georg Holzer, Creative Commons CC-BY-SA
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