Im Detail: Dieses Stück geht schief
Komödie von Jonathan Sayer, Henry Shields und Henry Lewis
Aufführungsdauer: 2 Stunden 10 Minuten, eine Pause
ZUM STÜCK
„The Play That Goes Wrong” – so heißt das Stück “Dieses Stück geht schief“ im Original, das von den Autoren, Schauspielern und Produzenten Henry Lewis, Jonathan Sayer und Henry Shields geschrieben wurde, die Mitglieder der Mischief Theatre Company in England sind. Preisgekrönt, gefeiert im Londoner Westend und am Broadway in New York, übersetzt und lizensiert für über 30 Länder, ist es nun endlich auch in Nürnberg zu sehen.
In der Einfachheit des Konzepts liegt dabei die Genialität, es handelt sich nämlich um ein Stück im Stück: Eine Amateurtheatertruppe zeigt die Krimi-Produktion „Mord auf Schloss Haversham“. Oder vielmehr: versucht, sie zu zeigen. Denn was eigentlich alles stimmen muss, damit eine Theateraufführung gelingt, wird hier im Negativbeispiel offensichtlich. Fehlende Requisiten, falsche Toneinsätze, Texthänger, nicht funktionierende Technik, gefährliche Missverständnisse, konkurrierende Schauspielerinnen, misslungene Auf- und Abtritte lassen schnell klar werden: es geht hier weniger um die Auflösung des Mordfalls in der Geschichte als um das schiere Überleben von allen an diesem Abend oder um es mit den Worten des Technikers Trevor zu sagen: „Diese Bühne ist die reinste Todesfalle!“
Die Times of Tunbridge Wells führte 2021 ein Interview mit Jonathan Sayer, das hier in gekürzter und übersetzter Version zu lesen ist:
INTERVIEW MIT JONATHAN SAYER: „COMEDY ZU SCHREIBEN IST WIE KLEMPNERARBEITEN“
Wie sind Sie auf die Idee zu „Dieses Stück geht schief“ gekommen?
Wir sind drei Autoren, es gibt darauf also unterschiedliche Antworten. Da wir aber alle am Theater arbeiten, wissen wir wie es ist, wenn Dinge schief gehen in Aufführungen, in denen wir mitgewirkt haben. Einige meiner Lieblingsmomente beim Theaterspielen sind die, in denen etwas furchtbar schiefläuft und die Schauspieler*innen gezwungen sind, mit dem Fehler umzugehen und zu versuchen, die Show am Laufen zu halten.
Wie haben Sie das Stück entwickelt?
Wir drei lebten damals zusammen in einer ziemlich heruntergekommenen Wohnung in Gunnersbury. Wir arbeiteten alle in Bars, Callcentern und Restaurants, und abends kamen wir nach Hause und schrieben bis in die frühen Morgenstunden. Das ursprüngliche Skript hat, glaube ich, etwa einen Monat gedauert, und dann haben wir es mit dem Rest des Mischief-Teams geprobt. Jeder hat viel improvisiert, also versuchten wir, diese Prinzipien mit in den Schreibraum und in die Proben zu nehmen: Wenn jemand eine Idee hat, akzeptiert man sie und baut darauf auf.
Wie definieren Sie lustig?
Wir haben vor langer Zeit einen Pakt geschlossen, dass wir, wenn etwas nicht lustig ist, einfach sagen, dass es nicht lustig ist. Ich denke, Comedy zu schreiben ist wie Klempnerarbeiten - wenn ein Mann kommt, um deine Wasserhähne zu reparieren, und sie immer noch undicht sind, sagst du, dass sie immer noch undicht sind. Er wird nicht verärgert sein, es ist einfach eine praktische Sache, und ich denke, man muss versuchen, diese Arbeit auf dieselbe Weise anzugehen. Es ist subjektiv und man muss eine persönliche Distanz haben. Solange man immer positiv alles hinterfragt, wird die Arbeit dadurch nur besser.
Seien Sie ehrlich: Basieren die dargestellten unglücklichen Schauspieler*innen auf jemandem aus dem wirklichen Leben?
Haha! Niemand wird direkt parodiert! Die Figuren wurden alle bei den Proben und durch Auftritte vor Publikum entwickelt. Wir haben alle schon an Produktionen mitgewirkt, die schief gelaufen sind, und wir haben alle schon Fehler auf der Bühne gemacht (wenn auch hoffentlich keine so katastrophalen wie in diesem Stück!). Es gibt eine Menge Erfahrung, auf die man zurückgreifen kann, um herauszufinden, wer die Figuren sind und wie sie auf Peinlichkeiten reagieren. Einige der Ereignisse in dem Stück scheinen der schlimmste Albtraum eines Schauspielers zu sein!
Haben Sie Rückmeldungen von den Schauspieler*innen selbst erhalten?
Viele Schauspieler*innen, egal ob Profis oder Amateure, kommen am Ende der Show zu uns und erzählen uns fantastische Geschichten über Dinge, die ihnen in verschiedenen Produktionen passiert sind. Ich glaube, die Show hat eine kathartische Wirkung auf sie. Aber es sind nicht nur Schauspieler, ich denke, die Vorstellung, sich vor einer großen Anzahl von Menschen zum Narren zu machen, ist etwas, mit dem sich jeder identifizieren kann. Jede*r kennt das Gefühl, den Wunsch, dass der Boden sich auftut und einen verschluckt. Dadurch stellt man sich auf die Seite der Figuren im Stück und wünscht ihnen wirklich, dass sie das Ende der Show erreichen!
Hat Sie der Erfolg des Stücks überrascht?
Auf jeden Fall. Ich erinnere mich, dass wir vor etwa zehn Jahren in unserer Improvisations-Show auftraten, und es waren mehr Leute auf der Bühne als im Publikum, also ist es natürlich eine Überraschung! Wir sind total überwältigt von der Resonanz. Wir sind so begeistert, dass die Leute die Arbeit und die Figuren mögen und dass wir so viele verschiedene Menschen zum Lachen bringen konnten. Die Show begann in einem kleinen Theater mit 60 Plätzen, und dass sie nun in großen Theatern auf der ganzen Welt aufgeführt wird, ist wunderbar.
DAS ENSEMBLE ÜBER DIE SCHÖNSTEN MISSGESCHICKE ALS SCHAUSPIELER*IN:
Die Theaterkunst ist eine, die bekannterweise jeden Abend aufs Neue entsteht. Trotz der Verabredungen, des verinnerlichten Textes, der vorangegangenen Proben, usw. lauern mit jeder neuen Vorstellung wieder Pannen, Patzer und Missgeschicke. Einige Schauspieler*innen des Ensembles teilen hier ihre bisher größten Malheure mit uns:
Pius Maria Cüppers:
Lachen ist meines Erachtens nach das Gefährlichste. Mir ist es bei einer Vorstellung von „Ein Sommernachtstraum“ mal passiert, dass ich an einer Stelle wegen einer Kleinigkeit so lachen musste, dass es alle anderen Kolleg*innen angesteckt hat. Das Absurde war, dass am Schluss 600 Zuschauer*innen sich ebenso die Bäuche vor Lachen gehalten haben, ohne dass irgendjemand wusste weshalb überhaupt. Es war ein kompletter Kontrollverlust, aber die Leute waren begeistert, wollten sogar Autogramme danach, verrückt! Ein ungeplanter Lacher war auch als Michael Hochstrasser mir einmal in einer Inszenierung ein Pizzastück in den Mund schieben sollte, ihn verfehlte und mir dann eine Salami an der Wange hängen blieb.
Höchst unangenehm dagegen: Ein Gastspiel in Gütersloh, in dem ich den Spiegelberg in die „Die Räuber“ gespielt habe. Gerade als ich die Räuberbande gründen wollte, trat der Spieler von Karl Moor viel zu früh auf. Dadurch war für den Rest des Stücks nicht klar was eigentlich meine Rolle war, bzw. das Spiegelberg ja die Idee mit der Räuberbande hat. Auch das führte zu Lachanfällen meinerseits später aus Verzweiflung, weil vieles im Stück einfach keinen Sinn mehr ergeben hat danach.
Und einmal ist mir tatsächlich genau das passiert, was Perkins in „Dieses Stück geht schief“ passiert: ich wollte zu einer Tür hinaus, die nicht aufging. Ich musste mich also tatsächlich so unauffällig wie möglich an die Seite und um das Portal spielen, in einer sehr ernsten und wichtigen Szene.
Thorsten Danner:
Es gibt auch immer wieder Unannehmlichkeiten, die eigentlich nur die Spieler*innen auf der Bühne zu spüren bekommen. In einer „Dschungelbuch“-Aufführung spielte ein eher beleibterer Schauspieler mit starken Blähungen den Balu. Was das Kostüm anscheinend an Duftnoten abgedämpft hatte, wurde erst offensichtlich, als der Spieler des Mogli im Stück auf den vermeintlich toten Balu springen und auf das Kostüm hauen musste und es nun auf einmal grässlich auf der Bühne roch. Bis heute unter den betroffenen Spielern eine Lieblingsanekdote!
Im Theater in Passau gibt es einen extrem langen Weg von den Garderoben bis zur Bühne. Ein Schauspieler musste als Hotelmanager in einer Komödie, die ähnlich auf Timing und exaktem Spiel beruhte wie unseres, durch ein Fenster klettern um zu sehen was auf Szene passiert. Er kam nicht zu seinem Einsatz, er hatte anscheinend den Einruf nicht gehört.
Unglücklicherweise schickte man aber einen Schauspieler, der bekannt dafür war viel Quatsch zu reden und die Leute zu veräppeln, um den „Hotelmanager“ zu holen, so dass dieser ihm nicht glaubte, dass er schon dran sei. Es dauerte also ewig, was natürlich bei so einem Stück fatal ist und während wir älteren Kollegen irgendwann schlichtweg aus dem Fenster und rausgeklettert sind, blieb eine junge Schauspielkollegin alleine auf der Bühne zurück und musste ewig lange irgendwelchen Unfug improvisieren, bis es weiterging.
Joshua Kliefert:
Tatsächlich ist mir gerade erst etwas in einer „Übergewicht, unwichtig: Unform“-Vorstellung passiert. Ich spiele in der ersten Hälfte ja Fotzi und bin in der zweiten Hälfte der Mann als Teil des schönen Paars, habe also im ersten Teil untenrum ein weibliches Geschlechtsteil als Kostüm, worüber dann im zweiten Teil eine Hose kommt. Es ist ein rasend schneller Umzug und als ich die Bühne hochrenne und anfange zu spielen, merke ich irgendwas ist anders. Ich linste auf meinen eigenen Unterkörper und sah, dass die Hose runtergerutscht ist und ich somit quasi mit entblößtem weiblichem Geschlechtsteil den kompletten dritten Teil als Mann spielen muss. Das hat mich sehr irritiert und ich war sehr damit beschäftigt zu überlegen, ob es (bei diesem sehr durchchoreografierten Abend, bei dem es keinerlei „natürliche“ Bewegung gibt) eine Möglichkeit gäbe die Hose wieder hochzuziehen. Ging nicht. Und irgendwann ist sie dann komplett abgerissen.
Katharina Kurschat:
Ich hatte ein Gastspiel auf einer Freilichtbühne im Wald. Meine Aufgabe war es rückwärts zu gehen und dann hinzufallen, wofür es eigentlich auch eine klare Markierung gab. Durch den Regen vorher war diese aber nicht mehr zu sehen und ohne es zu merken, habe ich mich in die Nähe der Bühnenkante gespielt. Obwohl meine Mitspielerin, die inszenierterweise im Publikum saß, noch halblaut rief „Katha, nein!“ bin ich rückwärts von der Bühne geflogen. Mein Monolog war glücklicherweise damit sowieso zu Ende und ich konnte mich berappeln, seit diesem Vorfall war „Katha, nein!“ allerdings eine Art geflügeltes Wort bei uns an der Schauspielschule damals.
Stephanie Leue:
Es passiert dann doch mehr als man denkt, aber eigentlich habe ich noch nie erlebt, dass die Vorstellung abgebrochen wurde. Selbst, wenn ein Riesenbühnenteil runterknallt, was mir auch schon mal passiert ist, merken die meisten im Publikum nicht, dass es keine Absicht war. Meistens schaut man sich unter Kolleg*innen auf der Bühne an und macht dann trotzdem weiter. In einer Studentenaufführung musste ich mal somnambul im Nachthemd mit Laterne mit brennender Kerze auftreten und merkte auf einmal, dass es sehr warm wurde, ich sah helles Licht von der Seite. Auf einmal rannte mein Spielpartner auf mich zu und schlägt mir auf den Kopf, ich war total irritiert bis ich roch, dass anscheinend meine Haare angebrannt waren. Es stellte sich heraus, dass wirklich eine relativ große Haarsträhne und ein Teil meiner Augenbrauen weggebrannt waren. Wir guckten uns an und spielten einfach weiter, aber es war gut, dass er mich gerettet hatte, wer weiß was da sonst noch passiert wäre.
Luca Rosendahl:
Mein bisher schlimmstes Ereignis war als ich mich als Romeo in „Romeo und Julia“ in der letzten Szene an dem „Gift“ verschluckt habe, aufgrund dessen ich ja sterben musste. Ich hatte also für die letzten 10 Minuten des Stücks einen Hustenanfall und habe vergeblich versucht es zu unterdrücken. Gott sei Dank haben es nur die ersten beiden Zuschauerreihen gemerkt, nur meine Schauspielkollegin war wirklich besorgt und dachte ich würde ersticken. Ansonsten ist mir bisher noch nicht so viel passiert zum Glück, mal gucken was hier in Nürnberg noch so auf mich zukommt!
Regie: Christian Brey / Bühne, Kostüme: Anette Hachmann / Dramaturgie: Brigitte Ostermann, Sabrina Bohl / Musik: Thomas Esser / Stuntkoordinator: René Lay / Licht-Design: Thomas Märker
Annie, Inspizientin der Theatergruppe: Stephanie Leue / Trevor, Licht- und Tontechniker der Theatergruppe: Pius Maria Cüppers / Chris (Chef der Theatergruppe, spielt Inspektor Carter): Luca Rosendahl / Jonathan (spielt Charles Haversham): Joshua Kliefert / Robert (spielt Thomas Colleymoore): Nicolas Frederick Djuren / Dennis (spielt Perkins): Thorsten Danner / Max (spielt Cecil Haversham und Arthur): Amadeus Köhli / Sandra (spielt Florence Colleymoore): Katharina Kurschat / Statisterie des Staatstheaters Nürnberg
Regieassistenz und Abendspielleitung: Malika Scheller /Regieassistenz: Amrei Scheer / Inspizien: Bernd Schramm / Soufflage: Beatrice Zuber / Bühnenbildassistenz: Madeleine Mebs, María Angelica Guerrero / Kostümassistenz und Grafik-Design: Johanna Kaiser / Werkstudentin: Sophia Czerwinski / Freiwilliges kulturelles Jahr: Sabrina Haas
Technischer Direktor: H.-Peter Gormanns / Referentin des Technischen Direktors: Henriette Barniske / Werkstättenleiter: Hubert Schneider / Konstruktion: Marie Pons / Bühne: Florian Steinmann (Technischer Leiter), Stefan Joksch (Bühneninspektor), Thomas Schreiber (Bühnenmeister) / Beleuchtung: Florian Steinmann, Wolfgang Köper, Frank Laubenheimer, Günther Schweikart / Ton und Video: Boris Brinkmann, Manuela Trier, Ulrich Speith, Gerald Steuler / Masken und Frisuren: Helke Hadlich, Dirk Hirsch / Requisiten: Urda Staples, Katharina Scheunert / Waffenmeister: Peter Hofmann, Moritz Graeber / Kostümdirektion: Eva Weber / Ausfertigung der Dekoration: Dieter Engelhardt (Schreinerei), Klaus Franke (Schlosserei), Thomas Büning, Ulrike Neuleitner (Malsaal), Werner Billmann (Dekorationsnäher), Elke Brehm, Jonas Kusz (Theaterplastik)
Danke an Ronny Miersch für die Stuntberatung.
Aufführungsrechte: Litag Theaterverlag GmbH & Co. KG.
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